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Verjährt oder nicht? § 302 InsO und die Feststellungsklage nach Restschuldbefreiung

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Stellen Sie sich vor: Ein IT-Dienstleister erbringt über Monate hinweg umfangreiche Leistungen für ein mittelständisches Unternehmen. Als es ums Bezahlen geht, mauert der Kunde – und beruft sich auf finanzielle Engpässe. Der Dienstleister verklagt ihn, erhält 2016 ein Urteil und vollstreckt teilweise. Dann wird es ruhig – bis 2018 das Insolvenzverfahren eröffnet wird. Die Forderung wird angemeldet, später folgt 2024 die Restschuldbefreiung. Doch der Dienstleister ist überzeugt: Der Schuldner wusste schon beim Vertragsabschluss, dass er nicht zahlen konnte – ein Fall von Eingehungsbetrug!

Wenn Restschuldbefreiung nicht alles tilgt – eine wahre Geschichte

2025 erhebt er Feststellungsklage. Doch dann das böse Erwachen: Das Gericht weist die Klage ab. Warum? Weil die Forderung aus unerlaubter Handlung zwar nicht von der Restschuldbefreiung erfasst wird – aber verjährt sein kann, wenn sie nicht rechtzeitig geltend gemacht wurde.

Was viele Gläubiger nicht wissen: Auch „unverjährbare“ Feststellungsklagen können scheitern – wenn der zugrundeliegende Anspruch zum Zeitpunkt der Anmeldung bereits verjährt war. In diesem Beitrag zeigen wir, worauf es ankommt, was der Bundesgerichtshof dazu sagt – und wie Sie als Gläubiger strategisch richtig handeln.

Allgemeine Informationen – kein Ersatz für anwaltliche Beratung.

Hintergrund: Was § 302 InsO für Gläubiger bedeutet

Wer als Gläubiger mit einem vollstreckbaren Titel in ein Insolvenzverfahren geht, hofft auf eine Ausnahme von der Restschuldbefreiung. Genau hier kommt § 302 Insolvenzordnung (InsO) ins Spiel: Bestimmte Forderungen bleiben dauerhaft bestehen, selbst wenn dem Schuldner Restschuldbefreiung erteilt wird.

Dazu zählen insbesondere:

  • Geldstrafen und Ordnungsgelder
  • Forderungen aus vorsätzlicher unerlaubter Handlung
  • Unterhaltsschulden bei vorsätzlicher Pflichtverletzung
  • Forderungen aus Steuerhinterziehung

Entscheidend ist § 302 Nr. 1 InsO: Wer vorsätzlich eine unerlaubte Handlung begeht und dadurch einen Schaden verursacht, haftet auch nach Restschuldbefreiung weiter. Doch: Der bloße Titel reicht nicht aus. Es muss nachgewiesen werden, dass der Schuldner vorsätzlich und widerrechtlich gehandelt hat.

Wird das vom Schuldner bestritten, muss der Gläubiger Klage auf Feststellung gemäß §184 InsO erheben. Und dabei gilt: Der zugrundeliegende Anspruch darf bei Insolvenzeröffnung nicht verjährt gewesen sein.

Wann eine Forderung „unverjährbar“ ist – und wann nicht

Viele Gläubiger glauben: Wenn eine Forderung auf vorsätzlichem, unerlaubtem Handeln beruht, ist sie „unverjährbar“. Das ist ein Irrtum. Die Unverjährbarkeit bezieht sich nur auf das Feststellungsverfahren – nicht auf den materiellen Anspruch selbst.

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat hierzu mehrfach klargestellt:

„Der Feststellungsantrag ist nur dann erfolgreich, wenn der zugrundeliegende materielle Anspruch nicht verjährt ist.“ (BGH, Beschluss vom 21.03.2024 – IX ZB 56/22, Rn. 36)

Ansprüche aus unerlaubter Handlung verjähren regelmäßig nach drei Jahren ab Kenntnis von Schaden und Schädiger (§199 BGB). Wird diese Frist verpasst, hilft auch eine spätere Feststellungsklage nichts mehr.

Nur wenn der deliktische Anspruch noch offen und begründet ist, kann §302 InsO greifen. Eine bloße Umdeklaration reicht nicht.

Lesen Sie dazu auch: Schuldenfrei durch Verjährung: Ein Weg aus der Schuldenfalle!

Drei typische Fehler aus der Praxis

1. Späte Umdeutung eines Titels
Ein Gläubiger hat 2016 einen Titel wegen unbezahlter Dienstleistung. Im Insolvenzverfahren 2018 meldet er die Forderung als „vorsätzliche unerlaubte Handlung“ an. Der Betrugsvorwurf wurde jedoch nie geprüft. Die Verjährung ist abgelaufen – die Anmeldung bleibt erfolglos.

2. Allgemeine Feststellungsklage
2025 klagt ein Gläubiger pauschal, dass seine Forderung nicht unter die Restschuldbefreiung falle. Der Schuldner widerspricht. Ohne konkrete Schilderung des vorsätzlichen Handelns weist das Gericht die Klage ab.

3. Titel aus falschem Streitgegenstand
Ein Titel aus Warenkauf wird später als Eingehungsbetrug deklariert. Doch der Titel basiert auf Vertrag, nicht Delikt. Die Gerichte erkennen keinen Zusammenhang – der Anspruch gilt als verjährt.

IV. Experteneinschätzung: Was der BGH dazu sagt

Der BGH hat die Anforderungen klar formuliert:

„Der Feststellungsanspruch gemäß §302 InsO ist nur dann erfolgreich, wenn der materielle Anspruch, auf den sich das Feststellungsbegehren stützt, bei Insolvenzeröffnung nicht verjährt war.“

Rechtsanwalt Rüdiger Schmidt, Fachanwalt für Insolvenzrecht aus Leonberg, warnt:

„Viele Gläubiger verlassen sich auf alte Titel oder Vermutungen. Entscheidend ist, ob ein deliktischer Anspruch noch unverjährt und belegbar ist.“

Er rät, bereits bei Titulierung den Deliktscharakter zu erfassen – oder rechtzeitig Klage zu erheben.

FAQ – Die häufigsten Fragen zur Feststellungsklage

1. Was bedeutet §302 InsO für Gläubiger?
Ausnahmen von der Restschuldbefreiung, etwa bei vorsätzlicher Schädigung.

2. Reicht ein Titel allein aus?
Nein. Nur wenn er den Deliktsvorwurf ausdrücklich umfasst oder feststellt.

3. Kann ich den Titel nachträglich umdeuten?
Nicht ohne Begründung. Der Anspruch muss konkret deliktisch sein – und unverjährt.

4. Wann beginnt die Verjährung?
Mit Kenntnis von Schaden und Schädiger. Regelverjährung: drei Jahre.

5. Was tun bei Widerspruch des Schuldners?
Binnen sechs Monaten Klage nach §184 InsO erheben – mit detaillierter Begründung.

Fazit: Was Gläubiger jetzt tun sollten

§302 InsO ist ein mächtiges Instrument – aber kein Freibrief. Wer sich auf diese Ausnahme stützen möchte, muss sauber und rechtzeitig arbeiten. Verjährte Forderungen können auch mit Feststellungsklage nicht gerettet werden.

Frühzeitig überprüfen, sauber begründen, und bei Widerspruch schnell handeln – das sind die Erfolgsfaktoren.

Frühzeitig klären lassen – mit der Kanzlei Schmidt

Die Kanzlei Schmidt unterstützt Gläubiger bei der Prüfung und Durchsetzung insolvenzrechtlicher Sondertatbestände wie §302 InsO. Wir helfen bei:

  • deliktischer Bewertung Ihrer Forderung
  • Verjährungsanalyse
  • Insolvenzanmeldung und Feststellungsklagen

Mehr Informationen unter www.sg-kanzlei.de

Glossar – Fachbegriffe verständlich erklärt

§302 InsO: Ausnahmetatbestand für bestimmte Forderungen trotz Restschuldbefreiung.

Feststellungsklage: Klage auf Nicht-Erstreckung der Restschuldbefreiung bei Widerspruch.

Eingehungsbetrug: Vorsätzliche Täuschung beim Vertragsschluss über Zahlungsfähigkeit.

Verjährung: Zeitliche Grenze für die gerichtliche Durchsetzung von Ansprüchen.

Streitgegenstand: Der konkrete Anspruch, über den ein Gericht entscheidet.


Information: Dieser Beitrag ersetzt keine individuelle Rechtsberatung.


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