Zum Inhalt springen

So gelingt die außergerichtliche Schuldenbereinigung

Die außergerichtliche Schuldenbereinigung:

1. Ausgangspunkt finanzielle Schieflage

Wer in finanziellen Schwierigkeiten steckt oder wem vor Schulden das Wasser sogar bis zum Hals steht, der muss sich irgendwann überlegen, was er dagegen tun kann. Dabei ist die psychologische Komponente einer solchen finanziellen Schieflage nicht zu unterschätzen: Wem die Schulden über den Kopf wachsen, der ignoriert häufig irgendwann die Post, öffnet Rechnungen und Mahnungen nicht mehr und verliert dann vollständig den Überblick über seine Situation oder verschlimmert diese weiter, indem er Zahlungsfristen verstreichen lässt und Mahnkosten in Kauf nimmt. Oft scheint dann der Gang in die Insolvenz unausweichlich. Zwingend ist dies jedoch nicht. Vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens sollten zunächst andere Möglichkeiten überprüft werden, die eigene finanzielle Lage zu ordnen. Insbesondere bei einer (drohenden) Verbraucherinsolvenz bietet sich eine außergerichtliche Schuldenbereinigung an. Sie geht geht mit der Erstellung eines Schuldenbereinigungsplans einher (dazu gleich) und genießt Vorrang vor dem gerichtlichen Insolvenzverfahren. Außergerichtliche Schuldenbereinigung und Schuldenbereinigungsplan sind nämlich zwingende gesetzliche Voraussetzung für den eröffnenden Insolvenzantrag des Insolvenzverfahrens nach § 305 der Insolvenzordnung (InsO).

2. Vergleichsbasierende Schuldenbereinigung

Was für Möglichkeiten zur Entschuldung innerhalb eines Jahres gibt es eigentlich? Zunächst bietet sich eine sog. vergleichsbasierende Schuldenbereinigung an. Sie fußt auf der Überlegung, dass der angewachsene Schuldenberg nur noch dann bewältigt werden kann, wenn die Schulden drastisch reduziert werden, also ein Schuldenschnitt (Schuldenvergleich)angestrengt wird. Den Schuldnern wird dabei vereinfacht ausgedrückt eine wesentlich reduzierte Begleichung ihrer Forderungen unter Erlass der übrigen Forderungen angeboten, auf die sich geeinigt (verglichen) wird. Hier können regelmäßig Erlassquoten von 20 bis 50 Prozent der ursprünglichen Forderung(en) erzielt werden. Häufig vereinbaren die Parteien Ratenzahlungen. Warum sollten sich die Gläubiger darauf einlassen? Viele Gläubiger wissen, dass sie befürchten müssen, in einem Insolvenzverfahren im Ergebnis noch weniger zu erhalten, weil beim Schuldner einfach kein Geld oder keine verwertbaren Vermögenswerte vorhanden sind. Für viele Gläubiger gilt also hier das Motto „Lieber den Spatz in der Hand, als die Taube auf dem Dach“.

3. Umschuldungsverfahren

Bei einer kapitalbasierenden Schuldenbereinigung (Umschuldung) wird ebenfalls ein Schuldenschnitt durch eine Vergleichslösung angestrebt (Gläubigervergleich). Dabei wird den Gläubigern in Aussicht gestellt, bei einer Reduzierung ihrer Forderungen diese in relativ kurzer Zeit (oft durch eine Einmal- bzw. Sofortzahlung) zu begleichen. Bei Einmalzahlungen können Schuldenerlasse von bis zu 80 Prozent erreicht werden. Neben der Reduzierung der Forderungen der Gläubiger werden neue Finanzmittel beschafft, insbesondere durch die Eingehung neuer Kredite. Dies hängt natürlich von der Bonität (Kreditwürdigkeit) des Schuldners ab. Da neue Kredite ebenfalls durch Tilgungszinsen finanziert werden müssen, ist dieser Weg zur Entschuldung aber nur dann erfolgversprechend, wenn zuvor ein erheblicher Schuldenerlass erwirkt wurde.

4. Außergerichtlicher Schuldenbereinigungsplan

Der Schuldenbereinigungsplan enthält eine Auflistung aller Einnahmen des Schuldners und aller gegen ihn gerichteten Forderungen. Zudem erfolgt an die Gläubiger ein konkreter Zahlungsplan, also eine Auflistung, wann an welchen Schuldner und in welcher Höhe (Teilzahlung, Rate) geleistet werden soll. Der Schuldenbereinigungsplan sollte konkrete Vergleichsvorschläge zu Schuldenerlassen enthalten. Hierbei ist es wichtig, dass kein Schuldner benachteiligt wird (oder sich benachteiligt fühlt). Denn der (außergerichtliche) Schuldenbereinigungsplan muss anschließend jedem Insolvenzgläubiger vorgelegt werden. Nur wenn diese den Plan einstimmig annehmen, gelingt die außergerichtliche Einigung. Lehnt auch nur ein einziger Gläubiger ab oder betreibt die Zwangsvollstreckung, ist die außergerichtliche Schuldenbereinigung gescheitert. Hat der Schuldner keinerlei Vermögen oder Einkommen, wird ein sog. Nullplan erstellt. Dieser Nullplan wird jedoch von den Gläubigern nur in den wenigsten Fällen angenommen

5. Gerichtlicher Schuldenbereinigungsplan

Nach dem Scheitern der außergerichtlichen Einigung mit den Gläubigern, bleibt oft nur noch die Insolvenz. Im Rahmen der Insolvenzeröffnung wird dabei vorrangig vor dem eigentlichen Verfahren noch ein weiterer Einigungsversuch angestrengt: die gerichtliche Schuldenbereinigung. Dieser kann, muss jedoch nicht mit dem außergerichtlichen Schuldenbereinigungsplan identisch sein. Wichtiger Unterschied zur außergerichtlichen Einigung: Hier ist keine zwingende einstimmige Zustimmung erforderlich – es reicht aus, wenn die Hälfte der Gläubiger über die Hälfte der Gesamtforderung zugestimmt hat; in diesem Fall kann das Gericht die Zustimmung einzelner Gläubiger nach § 309 InsO ersetzen. Im Ergebnis besteht also die Möglichkeit, einen zuvor abgelehnten außergerichtlichen Schuldenbereinigungsplan als gerichtlichen Schuldenbereinigungsplan zur Zustimmung zu bringen. Wird der gerichtliche Schuldenbereinigungsplan abgesegnet, gilt der Insolvenzantrag (und ein etwaiger Antrag auf Restschuldbefreiung) als zurückgenommen. Der Schuldenbereinigungsplan hat dann die Wirkung eines gerichtlichen Vergleichs (§ 794 der Zivilprozessordnung – ZPO) und kann vollstreckt werden. Wichtig: Der Schuldenbereinigungsplan hindert einzelne Gläubiger nicht daran, die Zwangsvollstreckung zu betreiben, etwa weil der Schuldner entgegen den Verabredungen des Schuldenbereinigungsplans nicht zahlt. Er entfaltet also keine Sperrwirkung gegen eine Vollstreckung (Bundesgerichtshof v. 14.07.2011 – Az. VII ZB 118/09). Das bedeutet allerdings nicht, dass der Schuldner nun rechtlos ist – er kann sich dann seinerseits gegen die Vollstreckung zur Wehr setzen (Vollstreckungsgegenklage, § 767 ZPO) und die Regelungen im Schuldenbereinigungsplan zu einer gerichtlichen Überprüfung bringen.

6. Bescheinigung über das Scheitern der Schuldenbereinigung

Wird der gerichtliche Schuldenbereinigungsplan nicht angenommen bzw. ist das Gericht von dessen Nichtannahme überzeugt, wird das Insolvenzverfahren fortgeführt. Auch wenn das Gesetz hier (§ 306 InsO) etwas anderes vermittelt, passiert dies recht oft. Nur etwa drei Prozent und damit ein Bruchteil aller eröffneten Insolvenzverfahren enden mit der Zustimmung zum gerichtlichen Schuldenbereinigungsplan. Die Stellung des Insolvenzantrags setzt den Nachweis des Scheiterns einer außergerichtlichen Einigung voraus (§ 305 Abs. 1 Nr. 1 InsO), dieses Scheitern muss von einer geeigneten Stelle bescheinigt worden sein. Hier herrscht oft Unwissen darüber, wer eine solche Bescheinigung ausstellen darf. In Baden-Württemberg bestimmt § 1 des Ausführungsgesetzes zur Insolvenzordnung, wer hierfür in Frage kommt, etwa ein Rechtsanwalt oder Notare. Diese bescheinigende Stelle ist bei Stellung des Insolvenzantrages, der übrigens auch online gestellt werden kann, in Anlage 2 Punkt 14 des Formulars anzugeben. Bei diesem Punkt ist Vorsicht geboten: Wer eine Schuldenbereinigung oder eine Insolvenz anstrebt, ist letztlich selbst daran gehalten, zu überprüfen, ob ein mit der Erstellung des Schuldenbereinigungsplans betrautes Unternehmen (z.B. private Schuldnerberatungsstellen) überhaupt als „geeignete Stelle“ gilt oder nicht. Das LG Fulda (Urt. v. 06.07.2012 – Az. 1 S 12/12) entschied zu diesem Problemkreis: Wird ein Schuldnerberater nicht als geeignete Stelle anerkannt, kann dieser sich nicht darauf berufen, dass er zur Erbringung dieser Dienstleistung wiederum einen Rechtsanwalt bestellt hat. Denn die Einschaltung eines Rechtsanwalts macht die Schuldnerberatung noch nicht selbst zum Anwalt oder setzt deren Dienstleistung mit einer anwaltlichen Dienstleistung gleich.

7. Die außergerichtliche Schuldenbereinigung: Fazit

Damit die Schuldenbereinigung gelingt, sind eine ganzheitliche Strategie und die Berücksichtigung möglicher Eventualitäten im Laufe der Entschuldung erforderlich. Im Laufe der Schuldenbereinigung bzw. des Insolvenzverfahrens können sich viele Fragen stellen: Was mache ich, wenn sich einzelne Schuldner gegen die Zustimmung zum Schuldenbereinigungsplan sperren? Wie erwirke ich einen möglichst hohen Schuldenerlass, ohne die Gläubiger vor den Kopf zu stoßen? Und wie geht es weiter, wenn es doch zum Insolvenzverfahren kommt? Der Gang zum Insolvenzanwalt dient daher nicht nur zur Beantwortung dieser Fragen und zur Nutzung seiner juristischen Expertise. Denn die Gläubiger zweifeln oft daran, dass beim Schuldner wirklich nichts mehr zu holen ist, solange der Schuldner die Verhandlungen selbst bzw. alleine führt. Wer in Schulden versinkt, verliert auch nicht selten die Hoffnung und verkennt die Chancen auf einen Neubeginn, die sich durch eine Sanierung bieten. Manche Schuldner sind dabei durchaus (positiv) überrascht, „was geht, und was noch zu machen ist“, wenn ihnen ihre Möglichkeiten aufgezeigt werden.

8.Unser Praxistipp

Schalten Sie auf jeden Fall einen Insolvenzanwalt ein. Er berät Sie, entwickelt eine auf Ihre individuelle Situation zugeschnittene ganzheitliche Strategie und bezieht alle möglichen Eventualitäten im Laufe Ihrer Entschuldung mit ein. Durch seine Fachkompetenz verschafft er Ihnen und Ihren Gläubigern die Gewissheit eines rechtlich und wirtschaftlich fairen Verfahrens.

Außergerichtliche Schuldenbereinigung: Mehr zu diesem Thema und weitere Informationen zu vielen anderen Themen finden Sie auf der Homepage der Kanzlei Schmidt.

Für hilfreiche Videos zu anderen Fragestellungen klicken Sie hier.


Kompaktes Wissen zum Thema Schulden und Insolvenz: Downloaden Sie sich jetzt unseren Insolvenzratgeber als eBook mit über 160 Seiten Fachwissen!
Kostenfreier Download eBook „Insolvenzratgeber“ hier klicken